Tagungsbericht

Tagungsbericht

„Licht aus dem Osten!“
Ratzinger Studienwoche IV im Wiener Studienhaus Johannes von Damaskus
„Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. und das östliche Christentum“

„Licht aus dem Osten!“

Ratzinger Studienwoche IV im Wiener Studienhaus Johannes von Damaskus

„Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. und das östliche Christentum“

PD P. Dr. habil. Ephräm G. Lomidze im Gespräch mit Prof. em. P. Dr. Stephan O. Horn SDS © Archiv CCVU
PD P. Dr. habil. Ephräm G. Lomidze im Gespräch mit Prof. em. P. Dr. Stephan O. Horn SDS © Archiv CCVU

Ex Oriente Lux!“ Vom 19. bis 22. Juni 2024 fand im Wiener Studienhaus Johannes von Damaskus (CCVU) die vierte Ratzinger Studienwoche unter dem Titel „Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. und das östliche Christentum“ statt. Veranstaltet wurde die Studienwoche vom Wiener Studienhaus Johannes von Damaskus (CCVU) mit dem St. Ephräm Wissenschaftliches Zentrum für Orient&Okzident-Studien (STEP) in Kooperation mit der Katholischen Hochschule ITI (Trumau), welche von der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung gefördert wurde. Die Beiträge der Studienwoche werden in der Reihe Theologische Orient&Okzident-Studien (TO&OS Bd. 8) im EOS-Verlag St. Ottilien erscheinen.

Wie in der Idee der Ratzinger Studienwochen grundgelegt, setzte die Veranstaltung am 19. Juni mit Lektüreeinheiten zu Quellentexten ein, welche die insgesamt 30 Teilnehmende (Studierende, Interessierte, Professoren) auf die Vorträge der Fachexperten an den folgenden drei Tagen vorbereiteten.

Blick ins Auditorium © Archiv CCVU

Der Vortragsteil wurde von Organisatorin Prof. Dr. Michaela C. Hastetter am 20. Juni eröffnet. Sie wies in ihrem Grußwort darauf hin, dass dem Niederschlag des Lichts aus dem Osten auf Ratzingers Theologie nachzugehen, das Ziel der Studienwoche sei. Und dies solle nach dem Verständnis Benedikt des XVI. geschehen, nämlich in einem „Wechselspiel zwischen Denken und Leben“.

Der Liturgiewissenschaftler Prof. Dr. Hans-Jürgen Feulner (Wien) arbeitete im Eröffnungsvortrag zunächst mit Ratzinger heraus, dass das Petrusamt auch in Fragen des Ritus im Dienst an der Überlieferung stünde, an die seine Vollmacht gebunden sei. In Folge wies er auf östliche Einflüsse in Ratzingers Liturgieverständnis (etwa die kosmische Dimension der Liturgie oder die Ostung) hin.

Der Dekan der Katholischen Hochschule ITI (Trumau), Prof. Dr. Michael Wladika, erläuterte, wie das Denken von Ignatius von Antiochien ganz Einheits-Denken sei. So wie Gott einer sei, so auch der Mittler zwischen Gott und den Menschen, an dessen Einheit wiederum die Kirche und der einzelne Gläubige teilhabe. Das so verstandene Nachahmen der Einheit Gottes ginge nur über den einzigen, nicht einfach moralischen, sondern seinsmäßigen Mittler Jesus Christus, dem ein jeder durch die Sakramente und die Nachahmung seiner Leiden gleichgestaltet werden könne. Joseph Ratzinger fände so bei Ignatius eine wahre „Mystik der Einheit“.

Mit dem Einfluss Wladimir Solowjews auf Joseph Ratzinger beschäftigte sich sodann Prof. Dr. Michaela C. Hastetter (Trumau/STEP) im letzten Vortrag am Donnerstag. Entdeckt habe Ratzinger Solowjew über Hans Urs von Balthasar. Gedanken des russischen Philosophen hätten, so Hastetter, vor allem in den Themenkomplexen Lehrentwicklung, Verhältnis von Kirche und Staat, Papstamt und Einheit der Kirchen sowie die Bibelauslegung und Friedensethos vor allem durch dessen Kurze Erzählung des Antichrist, aber auch darüber hinaus, bei Ratzinger Aufnahme gefunden.

Podiumsdiskussion © Archiv CCVU

Prof. Dr. Manuel Schlögl (Köln) läutete den Freitagvormittag mit seiner Analyse der Auslegung des Gebets Jesu in Getsemani bei Maximus Confessor ein. Das Ringen Jesu am Ölberg fasse Maximus nicht als eine Auflehnung gegenüber Gott, sondern als eine natürliche Regung des Menschseins (Selbsterhaltung) auf. Dieser natürliche Wille würde durch den Gehorsam der Liebe in Übereinstimmung mit dem Willen des Sohnes gebracht werden („nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe“). Auch bei Joseph Ratzinger würde sich diese Einsicht rezipiert finden, wenn er davon spricht, dass die beiden Willen Christi aus Opposition in eine Synergie finden würden.

Vortrag von Prof. Dr. Manuel Schlögl © Archiv CCVU

Im Anschluss legte Erzpriester Prof. Dr. Stefanos Athanasiou (München) eine Analyse des Terminus Neuchalzedonismus vor. Historisch handele es sich dabei um eine Auslegungsschule, welche die Definitionen des Konzils von Chalzedon (451) kyrillisch interpretiere, d. h. mit einer Betonung der Einung der beiden Naturen Christi. Während ein Gros der katholischen Autoren jüngerer Zeit den sogenannten Neuchalzedonismus als dem Monophysitismus nahe verstehe, habe Ratzinger die Stärke der neuchalzedonensischen Auslegung, welche über ein bloßes Nebeneinander der beiden Naturen Christi hinausgehe, wieder freigelegt.

P. Dr. habil. Ephräm Givi Lomidze (Trumau/Wien/STEP) beschloss mit seinem Vortrag zu dem ökumenisch kontrovestheologischen Thema der Unauflöslichkeit der Ehe in der Ostkirche und bei Ratzinger die Vormittagseinheit. Er rief zunächst die klassisch-orthodoxe Bedingung für die Auflösung einer Ehe, nämlich den Tod (physisch, moralisch, religiös), also die Zerstörung der Grundlage der Ehe, in Erinnerung. Historisch reichten patristische Quellen, nach Ratzinger, über die Existenz (Origenes) und Begründung (Basilius) der Praxis einer erneuten Heirat zur Vermeidung von Schlimmerem weit zurück. Ratzinger kam zu dem Fazit, dass die im Osten engere Bindung von Kirche und Staat der geschmeidigeren Praxis zur Etablierung verhalf.

Am frühen Nachmittag kamen zwei Absolventen des STEP zu Wort, die ihre Forschungsergebnisse präsentierten: Mag. Veronika Chornous sprach über östlich-patristische Einflüsse auf die Auslegung der Seligpreisungen bei Joseph Ratzinger. Mit der Rezeption des Ersten Vatikanums bei André Scrima und Joseph Ratzinger beschäftigte sich Mag. Tornike Dzindzibadze.

Am Nachmittag referierte Dr. Miroljub Gligorić (STEP) über Einflüsse aus dem Osten auf die Communio-Theologie Joseph Ratzingers. Die eucharistische Ekklesiologie Nikolai Afanasieffs sowie seiner Schüler hätten auf Ratzingers Communio Ekklesiologie eingewirkt. Die Kirche sei so, wie bereits am Zweiten Vatikanischen Konzil geklärt, keine verrechtlichte Gemeinschaft und doch gleichzeitig apostolisch verfasst.

Der Kirchenrechtler Prof. Dr. Martin Rehak (München) führte die Teilnehmenden durch die Entwicklung des Patriarchentitels und inwiefern dieser vom Bischof von Rom in der Geschichte angenommen worden sei. Für Ratzinger seien die apostolischen Sitze nicht mit der administrativen Patriarchalstruktur ident und die Patriarchate wären daher vom Primat her zu verstehen. Im Anschluss an diesen Vortrag wurde das byzantinische Totengebet (Nekrosimos) für Benedikt XVI. gesungen.

Der Samstagvormittag führte P. Dr. habil. Ephräm Givi Lomidze (Trumau/Wien/STEP) ein Gespräch mit Prof. em. P. Dr. Stephan O. Horn SDS (Passau), ehemaliger Assistent von Professor Ratzinger in Regensburg und langjähriger Sprecher seines Schülerkreises, der aus seinen Erinnerungen zu Joseph Ratzinger und dem christlichen Osten erzählte. Neben der Organisation und Mitarbeit an manchen Regensburger Ökumenischen Symposien habe Ratzinger seit seinen ersten Begegnungen mit orthodoxen Studenten zu seiner Zeit als Professor in Bonn stets die persönliche Nähe im Dialog hochgehalten. Dieser Ansatz zu einem tieferen Verständnis durch persönlichen Kontakt werde am in der katholisch-orthodoxen Hausgemeinschaft des Wiener Studienhauses, welche stets wohlwollend von Ratzinger mitgetragen worden wäre, fortgeführt. Nach einer rekapitulierenden Podiumsdiskussion zelebrierte Abt Dr. Maximilian Heim OCist (Heiligenkreuz) die feierliche Abschlussmesse in der Hauskapelle des Wiener Studienhauses Johannes von Damaskus (CCVU).

Die Gesamterfahrung auf der Ratzinger Studienwoche fügt sich nahtlos in die Aussagen von Prof. em. P. Dr. Stephan O. Horn und dem Anliegen Benedikt des XVI. ein, dass die persönliche Nähe zu einem besseren gegenseitigen Verständnis führe. Es war ganz nach dem Wunsch Ratzingers ein ‚Wechselspiel zwischen Denken und Leben‘.

Walther H. Wladika

Teilnehmende der Ratzinger Studienwoche IV vor der Stiftsresidenz in Klosterneuburg © Archiv CCVU